„Haltung zeigen, engagieren, das ist gelebte Demokratie“

Nach Demonstration: Schulleiter des Siebenpfeiffer-Gymnasiums rückt in den Fokus von Rechtsextremen
Von Benjamin Ginkel
„Sofort kündigen“, „Schulleiterdarsteller“ – Marco Schneider bläst im Internet gerade ein kalter Wind von rechts entgegen. Und eine warme Brise aus der anderen Richtung.
Dass die Schulgemeinschaft des Siebenpfeiffer-Gymnasiums in Kusel zur Teilnahme an der „Demonstration für Menschlichkeit, Toleranz und Demokratie“ am 8. Februar aufgerufen hatte, gefällt nicht allen. So hat das Magazin „Compact“, eine rechtsextreme politische Monatszeitschrift, den Aufruf der Schule zum Anlass genommen, einen Videoclip zu schneiden, in dem unter anderem gesagt wird: „In der Schule ist ja so eine politische Einflussnahme verboten“ und „Die Schulen sind ja schon lange nicht mehr neutral“. Gezeigt wird auch ein Foto von Schulleiter Marco Schneider.
Das Video machte in den sogenannten sozialen Medien schnell die Runde, die Kommentare darunter lauten „Sofort kündigen“, „Indoktrination in seiner schlimmsten Form“, „linksgrünversiffter Schulleiterdarsteller“ und, und, und. Schneider, der für die SPD im Kreistag sitzt, nimmt die Anfeindungen gelassen: „Wer mich kennt, der weiß, dass ich eine große Resilienz habe.“ Er schaue sich die Kommentare nicht aktiv an: „Das macht meinen Tag nicht schöner.“ Schneider stehe nach wie vor hinter dem Aufruf – der zudem aus der ganzen Schulgemeinschaft gekommen sei.
Gemeinsamer Aufruf der Schulgemeinschaft
Die rechte Szene versuche, eine engagierte Schulgemeinschaft mundtot zu bekommen. Schneider: „Wir haben ja nicht gegen die AfD demonstriert, sondern für die Demokratie.“ Er folge damit sogar einem Aufruf des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums, sich für demokratische Werte einzusetzen. Auch in der Anti-Rassismus- und der Weltethos-AG der Schule würden diese Werte vermittelt. Schneider: „Wir greifen keine Parteien an. Ein durchgestrichenes Hakenkreuz sollte doch von allen mitgetragen werden.“
Die Schulgemeinschaft (also Schulleitung, Eltern- und Schülervertreter sowie der Personalrat) habe gemeinsam dazu aufgerufen, für Menschlichkeit, Toleranz und Demokratie einzustehen. Als Opfer einer Internetkampagne sieht sich Schneider nicht. Stattdessen freuten ihn die zahlreichen Solidaritätsbekundungen, die ihn in den vergangenen Tagen erreichten – unter anderem habe Ministerpräsident Alexander Schweitzer eine davon online geteilt: „Diese Rückmeldungen hört man gern.“
Schüler müssen keine Konsequenzen fürchten
Dass Schüler, die dem Aufruf nicht gefolgt sind, in der Schule Konsequenzen fürchten müssten – auch das ist ein Vorwurf –, weist Schneider entschieden zurück: „So ein Quatsch. Die Teilnahme war rein freiwillig.“ Es habe ihn sehr gefreut, dass viele Schüler dem Aufruf gefolgt seien und sich an dem Leitbild „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ orientiert hätten.
„Grundsätzlich begrüßt das Land das politische Engagement der Jugendlichen sehr“, antwortet die Pressesprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier. Die ADD ist die für Kusel zuständige Schulaufsichtsbehörde. „Haltung zu zeigen, sich zu engagieren, das ist gelebte Demokratie, und das ist es, wozu Schule die Kinder und Jugendlichen ermutigen und befähigen möchte“, heißt es aus Trier. Denn die Schule sei mehr als nur ein Raum zur Wissensvermittlung, sie solle im positiven Sinn dazu beitragen, die Schüler zu mündigen und aufgeklärten Bürgern zu erziehen. „Ziel muss dabei immer sein, dass die Schülerinnen und Schüler sich eine eigene Meinung bilden“, so die Sprecherin der Behörde.
Lehrkräfte müssen politisch nicht neutral sein
Verbeamtete Lehrkräfte seien zudem verpflichtet, das Grundgesetz und die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen und extremistischen Tendenzen deutlich entgegenzutreten. „Wenn Äußerungen oder Handlungen getätigt werden, die nicht mit den universellen Menschenrechten oder der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbar sind, dürfen und sollen Lehrkräfte für die Demokratie sprechen“, schreibt die ADD-Sprecherin. Wie dem Titel der angemeldeten Demonstration zu entnehmen sei, wurde für Menschlichkeit, Toleranz und Demokratie demonstriert – „Grundwerte unserer Verfassung“. Da sich der Aufruf nicht gegen eine bestimmte politische Partei gerichtet habe, sei er nicht zu beanstanden.
Lehrkräfte müssten übrigens nicht neutral im Sinne „ohne politische Meinung“ sein, betont die ADD-Sprecherin: „Politische Meinungsäußerungen sind auch Lehrkräften gestattet. Sie müssen dann jedoch als eigene Meinung der Lehrkraft deutlich erkennbar sein.“ Ziel im Unterricht solle es sein, dass die Schüler sich selbst ihre Meinung bilden und ihre Handlungen daraus ableiten können, beispielsweise auch die, ob sie an einer Demo teilnehmen möchten oder nicht. So wie im Falle des Siebenpfeiffer-Gymnasiums.
(veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz)
https://epaper.rheinpfalz.de/EPaper/PHP-Files/archivedpages.php
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Westricher Rundschau – Nr. 48 |
Datum | Mittwoch, den 26. Februar 2025 |
Seite | 13 |
Kritik an Schulleiter
„Er verdient Unterstützung“
Zum Artikel „Haltung zeigen, engagieren, das ist gelebte Demokratie“ (26. Februar) über rechte Stimmungsmache gegen den Schulleiter des Siebenpfeiffer-Gymnasiums in Kusel haben uns zwei Leserzuschriften erreicht.
Vor mehr als 100 Jahren gründete Julius Streicher eine Zeitung, die sich zum „Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit“ ernannte: „Der Stürmer“, ein nationalsozialistisches Hetzblatt, aggressiv und polemisch, menschenverachtend, ohne jeglichen Anstand, mit den billigsten Tricks der Meinungsmache gestaltet. Seit 2010 gibt es das Magazin „Compact“, seit 2013 trägt es den Zusatz „Magazin für Souveränität“, scheinbar ganz harmlos. Und auch der Slogan „Mut zur Wahrheit“ – die Werbung für „Compact“: scheinbar ganz harmlos! Scheinbar!Menschen- und werteverachtend geht es jetzt in „Compact“ und online gegen den Schulleiter des Gymnasiums Kusel: im Fokus rechter Hetze sein Anstand, sein Mut, sein Einsatz für seine Schülerinnen und Schüler, die ganze Schulgemeinschaft, für (Herzens-)Bildung und Demokratie! Für diese Wahrheiten einzustehen, das verdient den höchsten Respekt! Und alle Unterstützung!
Annette Coen, Kaiserslautern
„Grundgesetz verpflichtet“
Da kann man dem Siebenpfeiffer-Gymnasium nur gratulieren, dass es dem Geist von Siebenpfeiffer treu bleibt und sich nicht dem antidemokratischen Zeitgeist beugt. Schule ist nicht wertneutral, sondern den Werten des Grundgesetzes verpflichtet. Eine falsch verstandene Wertneutralität in der Bildung darf nicht um sich greifen. Es ist schlimm genug, dass in der Pfalz, wo sich das demokratische Symbol des Hambacher Schlosses, der Wirkungsstätte Siebenpfeiffers, befindet, viele Menschen offensichtlich in ihrem aktuellen Wahlverhalten eine Abkehr von den Hambacher Werten vornehmen. Hut ab vor dem Schulleiter Marco Schneider!
Johannes Kohnen, Ludwigshafen
(veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz)
https://epaper.rheinpfalz.de/EPaper/PHP-Files/archivedpages.php#
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Westricher Rundschau – Nr. 50 |
Datum | Freitag, den 28. Februar 2025 |
Seite | 15 |