Mit Schwämmen und Tüchern die Geschichte am Leben halten

Schülerinnen und Schüler des Siebenpfeiffer-Gymnasiums befreien Stolpersteine vom Schmutz – Namen und Daten sind wieder lesbar – Ältestes Exemplar von 2006

Von Finja Wendel

KUSEL. Es war eine kräftezehrende Arbeit, doch die jungen Leute haben die Anstrengungen nicht gescheut: Zehn Schülerinnen und Schüler des Siebenpfeiffer-Gymnasiums haben die Stolpersteine in Kusel geputzt.

Fußgänger, die den Blick ab und an nach unten schweifen lassen, merken, dass sie wieder glänzen: Die Stolpersteine sind von Schmutz befreit. Gemeint sind die Steine, die in Kusel an verschiedenen Stellen in den Boden eingelassen sind und an die Schicksale jüdischer Bürgerinnen und Bürger erinnern. Mit Polierpaste, Wasser, Schwämmen und Tüchern haben sich einige Neuntklässler des Siebenpfeiffer-Gymnasiums vor kurzem aufgemacht, um die kleinen Denkmäler zu schrubben.

Es war nicht das erste Mal, dass die Steine gereinigt wurden, doch es war mal wieder nötig, sagt Lehrer Ulrich Reh, der die Schülerinnen und Schüler der 9d bei ihrer Reinigungsmission begleitete: „Denn wenn die Steine verwittern, verwittert auch die Geschichte.“ In zwei Gruppen zogen sie durch die Kreisstadt, um die Stolpersteine, die zum Gedenken an die zur Zeit des Nationalsozialismus ermordeten und verschollenen Juden aus Kusel die Bürgersteige verschiedener Straßen zieren, zu putzen und zu polieren. Der älteste Stein stammt aus dem Jahr 2006, der jüngste aus dem Jahr 2019 – insgesamt sind 24 in der Stadt verteilt, vom Musikantenkreisel bis zur Ecke Trierer Straße/Gartenstraße. In der Nähe des Kreisels erinnert ein Stein an Mathilde Loeser, in der Nähe der Kreisverwaltung wird Theodor Siebenlist gedacht. „Siebenlist ist der einzige Nicht-Jude, für den in Kusel ein Stolperstein verlegt wurde“, erklärt Reh.

Für die Aktion nahmen sich die Schüler freiwillig außerhalb ihrer Unterrichtszeit zweieinhalb Stunden Zeit. „Es ist schon toll, dass sie das alles in ihrer Freizeit gemacht haben“, lobt der Religionslehrer. Er sei von Rolf Dick darauf angesprochen worden, ob er nicht mal wieder mit einer Gruppe die Steine reinigen wolle, schließlich habe er das schon öfter gemacht. „Und dann hat es sich gut getroffen, dass wir im Januar mit der neunten Jahrgangsstufe den Siebenpfeiffer-Tag zur jüdischen Geschichte Kusels hatten“, erzählt Reh. Er habe die 9d, die er auch in Religion unterrichte, gefragt – und sie habe direkt ihre Zusage gegeben.

Ziel war es, die Namen und Daten wieder lesbar zu machen und so die Erinnerung am Leben zu erhalten. Dabei wurden die Schüler immer wieder von Passanten angesprochen, die sich beeindruckt und berührt von ihrer Arbeit gezeigt hätten, berichtet Friedrich Vilov, einer der Schüler aus der Gruppe. Die Passanten hätten sich für das Engagement aufrichtig bedankt.

Das Reinigen der Gedenksteine war gleichzeitig ein wenig Geschichtsunterricht: Die Schüler lernten etwas über die Geschichte der Kuseler Jüdinnen und Juden. Sie erfuhren die jeweiligen Geburtsdaten, konnten nachlesen, wie die einstigen Kuseler Bürger umkamen und – falls bekannt – in welches Konzentrationslager sie verschleppt worden waren. Besonders betroffen zeigten sich die Neuntklässler im RHEINPFALZ-Gespräch von den Fragezeichen, die bei verschollenen Opfern in die Steine eingraviert sind. „Den Angehörigen der Opfer bleibt so nichts mehr von den Verstorbenen, nicht mal eine Todesurkunde“, sagt Vilov. Die Gruppe säuberte Steine von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen stammten. „Entgegen der landläufigen Meinung, dass Juden viel Geld hatten, kann man nämlich festhalten, dass es unter ihnen auch bitterarme Leute gab“, sagt Ulrich Reh.

Trotz der anstrengenden Arbeit hatten die Schüler Spaß und sind stolz auf ihre Arbeit. Nach der Putzaktion stärkten sie sich mit Pizza. „Nun sind die Namen der jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die unter dem Nationalsozialismus Verfolgung, Leid, Unrecht und Tod erfuhren, wieder erkennbar“, schreibt Lehrer Reh auf der Website des Siebenpfeiffer-Gymnasiums in einem kleinen Eintrag zu der Aktion.

Im Herbst sollen die Stolpersteine kurz vor der Reichspogromnacht zum Andenken an die Opfer erneut gereinigt werden.

(veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz)

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Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Westricher Rundschau – Nr. 90
DatumMittwoch, den 16. April 2025
Seite15