Düsterer Blick in die Geschichte – „Das Mädchen mit der Hutschachtel“
Theaterstück über die Judenverfolgung des Dritten Reichs im Kuseler Horst-Eckel-Haus
Die Aufführung eines Stücks über die Judenverfolgungen im Dritten Reich hat Betroffenheit unter den jugendlichen Zuschauern im Kuseler Horst-Eckel-Haus ausgelöst. Die Schüler aus Kusel und Lauterecken seien „sehr beeindruckt“ gewesen, teilte der Bezirksverband Pfalz gestern mit. Er hatte die Vorstellung in Zusammenarbeit mit dem Landkreis angesetzt.
Das dokumentarische Bühnenstück „Mädchen mit Hutschachtel“ wurde aufgeführt von der Jungen Badischen Landesbühne aus Bruchsal. Den Inhalt fasst der Kommunalverband in einem langen Bandwurmsatz mit Gender-Anspruch zusammen: „Die Schülerinnen und Schüler waren sehr beeindruckt von der Geschichte eines Mädchens, das auf einer Filmaufnahme zu sehen ist, die die Verschleppung von Bruchsaler Juden und Jüdinnen zeigt, und dessen Lebensweg vor kurzem recherchiert und in einem auf Dokumenten und Interviews basierenden Theaterstück künstlerisch umgesetzt wurde.“
Der 22. Oktober 1940 ist einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Stadt Bruchsal bei Karlsruhe: In den frühen Morgenstunden wurden beinahe alle Bruchsaler Juden verhaftet. Es blieb ihnen nur wenig Zeit, ihre Sachen zu packen für eine Reise, deren Ziel sie nicht kannten.
Die Menschen wurden durch die Stadt zum Bahnhof getrieben und von dort ins Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Das Ereignis ist in einem noch heute erhaltenen Nazi-Propagandafilm mit dem Titel „Bruchsal judenfrei“ festgehalten. In den Aufnahmen ist unter vielen Menschen ein Mädchen mit einer Hutschachtel zu sehen.
„Wer war dieses Mädchen? “, fragte sich Intendant Carsten Ramm von der Jungen Badischen Landesbühne. „Was ist aus ihr geworden?“ Die Autorin Lisa Sommerfeldt begab sich gemeinsam mit der Dramaturgin und Regisseurin Petra Jenni auf Spurensuche. Sie fanden heraus, dass es sich bei der jungen Frau um die heute in den USA lebende 95-jährige Edith Leuchter, geborene Löb, handelt.
Sie war 13 Jahre alt, als sie zusammen mit Mutter und Oma nach Gurs verschleppt wurde. Ihr kleiner Bruder war zu dieser Zeit in einem Kinderheim in Frankfurt, ihr Vater bereits in den USA. Er wollte dort Arbeit finden und hatte gehofft, seine Familie später nachholen zu können. 1941 wurde Edith aus dem Lager befreit und musste untertauchen. Nach dem Krieg gelang es ihr, nach New York auszuwandern. Bruder und Mutter wurden in Auschwitz umgebracht.
Das in Kusel gespielte Stück „Mädchen mit Hutschachtel“ basiert auf Interviews, Tagebüchern, Gerichtsakten und anderen Zeitdokumenten. Das Werk macht eins der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte für Nachgeborene erfahrbar.
„Das Schicksal Ediths und ihrer Familie kann als exemplarisch angesehen werden für die Verfolgung, Verschleppung und Ermordung tausender jüdischer Menschen“, fasst der Bezirksverband zusammen. Angaben über Inszenierung und Mitwirkende machte er gestern nicht. rhp/rik
(veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz)
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Westricher Rundschau – Nr. 165 |
Datum | Mittwoch, den 19. Juli 2023 |
Seite | 12 |
Die Schüler.innen der 10. Klassen zeigten sich sehr beeindruckt von diesem Theaterstück. Sie besuchten am 13.7. im Rahmen des Geschichtsunterrichts mit ihren Lehrkräften die Aufführung.