Auf Vollgummi zu den hübschen Mädels am Salzhaus

Warum der langjährige Landtagsabgeordnete Detlef Bojak einst ebenso gern wie verärgert in den Nachbar-Schulhof geschaut hat

Ab und an holperte noch ein altes Gefährt auf Vollgummi-Reifen und mit Holzbänken bestückt Richtung Kreisstadt. Tagtäglich in den Bus zu klettern, um zum Gymnasium in Kusel zu fahren – Detlef Bojak sieht dies als Privileg: „Ich war der einzige aus Jettenbach“, erinnert sich der 88-Jährige. Kurz zuvor erst, zu Ostern 1953, hatte es die Flüchtlingsfamilie in das Westpfalz-Dörfchen verschlagen, wo Bojak senior die Leitung der Volksschule übernahm. Aus Schlesien vertrieben, war der Lehrer samt Frau und vier Kindern zunächst in Bayern gelandet, dann weiter nach Hallgarten bei Bad Kreuznach gezogen – „weil man hier evangelische Lehrer gebraucht hat“, wie Bojak lachend erzählt.

Das Gymnasium war seinerzeit in einem Anbau am Rathaus zu finden, „neben dem Salzhaus“, wie sich Bojak erinnert. Vom Schulhof aus schweifte in den Pausen auch sein Blick zumeist hinunter zum Hof der tiefer gelegenen Handelsschule Heitmann. „Im Gymnasium waren es weit mehr Jungen, in der Handelsschule waren hingegen mehr Mädchen“. Ihnen bot sich dort die Chance, sich beruflich zu bilden und etwas aus sich zu machen, was übers übliche Hausfrauen-Dasein hinaus ging.

Zarte Bande zu knüpfen, war beinahe unmöglich. „Streng kontrolliert“ blieben Gymnasiasten und Handelsschüler räumlich getrennt. Und der Kontakt zu den Mädchen in den eigenen Schulsaal-Reihen wurde zudem von widrigen Umständen erschwert. „Zum Turnen ging es, wenn wir nicht im Winter in der Halle waren, zum Sportplatz an der Winterhelle, meist im Dauerlauf.“ Steter Begleiter war ein Turnbeutel mit doch arg bescheidenem Inhalt. „Turnhose und -Hemd, leichte Turnschuhe, das war’s auch schon.“ Hygiene litt Not; denn nicht mal eine Umkleide gab es, geschweige denn einen Dusch- oder zumindest Waschraum.

„Wir mussten notgedrungen, verschwitzt wie wir waren, die normalen Kleider wieder anziehen.“ So ging es denn zurück Richtung Salzhaus und in den Klassensaal. Detlef Bojak kann es wahrlich keiner seiner (rar gesäten) Mitschülerinnen verdanken, dass die jungen Damen seinerzeit an Tagen mit Turnstunde gern mal ein Stückchen von den wackeren Sportlern abrückten.

Wenngleich der Blick zurück gern vieles verklärt zeigt: Bojak hegt nicht nur gute Erinnerungen an jene Zeit. Vergällt hat ihm das Gymnasiasten-Dasein ein Mathelehrer. Mathematik war nicht eben Bojaks Stärke, mithin auch nicht sein Lieblingsfach. Der sogenannte Pädagoge hieb mit Verve in die Kerbe und fragte den Schüler bei jeder Gelegenheit, was er denn mal werden wolle. Bojaks Berufswunsch stand längst fest: Architekt, lautete denn auch stets die voller Überzeugung geäußerte Antwort. Woraufhin der Lehrer nie müde wurde, ätzend zu entgegnen: „Das schaffst du nie – du kannst nicht rechnen …“

Durchweg positiv hingegen ist die Erinnerung an einen anderen Schulmann des Kuseler Gymnasiums: Der hieß Alfred Wittgen, war Gymnasiallehrer für Deutsch – und hat dem Pennäler und späteren Landtags-Vizepräsidenten Detlef Bojak ungemein viel mit auf den Weg geben können.

Zwischen Turnen, Mathematik und Deutsch und all den anderen Fächern boten die Pausen am damaligen Gymnasial-Schulstandort eine willkommene Abwechslung: Da ließen nun die jungen Männer gerne die Blicke in den benachbarten, eine Ebene tiefer gelegenen Schulhof der Handelsschule schweifen. Unter gestrengen Augen der Aufsicht war gar nicht daran zu denken, näher in Kontakt zu treten.

Genau dies blieb nur einem vorbehalten: dem Sohn des Schulleiters der Anstalt an der Landschaftsstraße. Bojak sieht in seiner Erinnerung den gut gekleideten Mitschüler noch vor sich, der selbstredend hinuntersteigen und in den Nachbar-Schulhof einmarschieren durfte, um seine dort tätigen Eltern zu besuchen. „Er durfte hin, und wir haben oben gestanden und uns kaputt geärgert“, erstattet Bojak 70 Jahre danach lachend Lagebericht.

Wenngleich also fast allen die Annäherung an die jungen Damen verwehrt blieb, so habe sich doch das ein oder andere angebahnt, wie Bojak später erfuhr. Er selbst hat seinerzeit eine der Schülerinnen im Nachbarhof sozusagen übersehen. Die Handelsschule Heitmann besucht hat damals auch eine junge Frau aus Jettenbach. Jene Hilde Wendel, obwohl im selben Ort zuhause, hat Bojak nicht einmal gekannt. Erst nach der Schulzeit kam es zur Begegnung – einer mit Folgen: Seit 1957, seit sage und schreibe 67 Jahren also, sind die beiden glücklich verheiratet.                       Detlef Bojak

Bauingenieur, Berufsschul-Lehrer – vor allem aber Vollblut-Politiker: Ein Vierteljahrhundert lang (1971-1996) hat sich Detlef Bojak (88) als SPD-Landtagsabgeordneter mit Leidenschaft für die Menschen im Kuseler Land stark gemacht und in Mainz die Interessen seines Land- und Wahlkreises vertreten

(aufgezeichnet von Christian Hamm)

(veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz)

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Westricher Rundschau – Nr. 120
DatumSamstag, den 25. Mai 2024
Seite15